Wära

WÄRA: Das Schwundgeld von Schwanenkirchen

Das Wära-Wunder im Bayerischen Wald erregte weltweites Aufsehen

Das Wära-Wunder im Bayerischen Wald erregte weltweites Aufsehen

Als Anfang der dreißiger Jahr die Weltwirtschaft in einer schweren Krise steckte und die Massen von Arbeitslosen große Not zu leiden hatten, kam es im Gebiet Hengersberg- Schwanenkirchen-Schöllnach zu einem lokalen Wirtschaftsaufschwung.

Was war geschehen? Wie konnte das verrostete Räderwerk der Wirtschaft wieder angekurbelt werden?

Der aus Eisleben/Sachsen stammendes Bergbauingenieur Max Hebecker ersteigerte 1929 für 8000 RM das "niedergebrannte und abgesoffene" Braunkohlenbergwerk in Schwanenkirchen. Er war Freiwirt und gehörte den Physiokraten an, jener Organisation, die im Sinne des etwas umstrittenen Volkswirtschaftlers Silvio Gesell (Verfasser des Buches "Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld") wirkten. Hebecker war ein wirtschaftlicher und sozial überaus engagierter, aktiver und mutiger Unternehmer. Er wagte in schwerer Zeit, trotz anfänglicher Kritik, vor allem von Seiten der Presse, das Freigeldexperiment und verhalf damit im Raum Schwanenkirchen/Hengersberg zahlreichen Menschen zu Arbeit und Brot.

Zum Betrieb und Ausbau des Bergwerkes benötigte Hebecker dringend Geld - aber niemand war bereit, in das stillgelegte Bergwerk zu investieren. Daraufhin wandte sich Hebecker an seine Freunde, die WÄRA-Tauschgesellschaft (1929 in Erfurt gegründet). Hier erkannte man sofort die große Propagandamöglichkeit für das WÄRA-Experiment, die im Gelingen dieses Planes lag. Mit einem Kredit von 50.000 WÄRA konnte der Bergwerksbetrieb aufgenommen werden. In der Zeit, als die Weltwirtschaftskrise über die Welt sich senkte, begann das Bergwerk wieder zu arbeiten. Das Wohlfahrtsamt war mit einem Schlag ca. 30 bis 40 Arbeitslose los. Ein Phantom schaffte Arbeit und Brot. Dieser Aufschwung wurde sogar von den Freigeldgegnern anerkannt.

WÄRA

Die WÄRA war ein Tauschmittel im Werte der Reichsmark. Sie unterlag einem regelmäßigen Schwund und verlor alle vier Wochen ein Prozent des Wertes. Dieser Verlust konnte durch den Kauf von Klebemarken (bei WÄRA 1 Cent = 1 Reichspfennig) ausgeglichen werden. Mit dieser Maßnahme sollte erreicht werden, daß das "Geld" nicht gehortet und aus der Wirtschaft zurückgezogen wird. WÄRA war das erste Geld, das sich selbst "verzerrte" und seine Besitzer nicht reicher machte, wenn er es in der Tasche behielt. Es gab WÄRA-Scheine zu 1 / 2, 1, 2, 5 und 10 WÄRA.

Hebecker zahlte 2/3 des Lohnes in WÄRA und 1/3 in Reichsmark aus, um Geld für Behörden und Geschäfte zu haben, die WÄRA nicht annahmen. In Aufklärungsversammlungen versuchte Hebecker die Geschäftsleute der Umgebung zur Annahme von WÄRA- Scheinen zu bewegen - aber man war skeptisch. Daraufhin errichtete er beim Bergwerk eine Betriebskantine und bezog Waren des täglichen Bedarfs von Firmen, die der WÄRA-Tauschgesellschaft angehörten aus Nord- und Mitteldeutschland. Schon bald erkannten die örtlichen Geschäftsleute, welcher Umsatz ihnen entging und erklärten sich zur Annahme der WÄRA-Scheine bereit. Nunmehr "klingelten" die Kassen zur Freude der Geschäftsinhaber wieder. Es wurde "gekauft", ohne dafür eine Reichsmark ausgeben zu müssen. Ein Hengersberger Geschäftsmann meinte: "Wir büßen gerne monatlich ein Prozent ein, wenn wir einen regelmäßigen Umsatz haben. Läge die Grube still, dann wären die Leute arbeitslos, hätten weder WÄRA noch Reichsmark und könnten nichts kaufen. Schwundgeld ist jedenfalls besser als wertbeständiges Geld, das man nicht kriegt."

Kein Zweifel - in diesem kleinen Kreis hat die WÄRA wahrhaftig Wunder gewirkt Hier glaubte niemand mehr an die allein seligmachende Golddeckung.

Mehr als 50 Zeitungen berichteten daraufhin über die "WÄRA-Insel im Bayerischen Wald" und vom "WÄRA-Wunder von Schwanenkirchen". Nunmehr wurde die Reichsmark auf die Vorgänge in Schwanenkirchen aufmerksam und versuchte, dieses Experiment zu verbieten. Da WÄRA aber kein Zahlungsmittel, sondern lediglich ein Tauschmittel für geleistete Arbeit war und auch die geforderten Merkmale des Geldes im strafrechtlichen Sinne fehlten, konnten die ordentlichen Gerichte nichts dagegen ausrichten. Erst die Notverordnung vom 30. Oktober 1931 erklärte die WÄRA zum Notgeld und konnte damit verboten werden. Mit diesem Verbot ging das so hoffnungsvoll begonnene Experiment nach eineinhalb Jahren zu Ende. Über das Gebiet von Hengersberg/Schwanenkirchen brach erneut wieder Arbeitslosigkeit herein.

Das Freigeldexperiment aber konnte nicht mehr totgeschwiegen werden. Der Funke sprang auf das Ausland über. In Österreich (Wörgl/Tirol), Schweiz, Frankreich, Spanien und USA gab es ähnliche Versuche.